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Statische Systeme
Bevor eine Dimensionierung
der Bauteile eines Bauwerkes erfolgen kann, muß für das Tragwerk
ein geeignetes und i.a. idealisiertes statisches System gefunden werden.
Da Bauwerke aus verschiedenen Baustoffen hergestellt werden können,
bedingen diese eventuell unterschiedliche Tragsysteme. Es ist jedem klar,
daß z.B. Deckenplatten im Wohnungsbau nicht aus Stahl hergestellt
werden sollten sondern aus Beton oder Holz. Die einzelnen Baustoffe bedingen
somit bestimmte Grundsysteme, wie beispielsweise Platten oder Stäbe.
Man unterteilt in der Praxis diesbezüglich die Tragsysteme in Flächentragwerke
und Stabtragwerke. Des weiteren muß die Berechnungsgenauigkeit festgelegt
werden. Hier kennt man die Theorie I. , II. und III. Ordnung. Im
allgemeinen reicht die Berechnung nach Th.I.O. aus, allerdings sind bestimmte
Bauteile, oder auch das gesamte Bauwerk, häufig genauer nach Th.II.O.
zu untersuchen. Die Th.III.O. findet in der praktischen Baustatik keine
Anwendung. Möchte man ein Tragsystem möglichst hoch auslasten,
so gibt es bei Baustoffen, welche ein ausgeprägtes plastisches Verformungsverhalten
zeigen (z.B. Stahl), die Möglichkeit, sogenannte plastische Tragreserven
zu nutzen. Die statische Berechnung ist dann mit Hilfe der Fließgelenktheorie
durchzuführen. Nachdem die Wahl des statischen Systems getroffen wurde,
muß ein geeignetes Berechnungsverfahren gewählt werden, mit
dem anschließend die gesuchten Schnittgrößen ermittelt
werden. /5/
Stabtragwerke
Stabtragwerke bestehen aus
einem oder aus mehreren Stäben. Man bezeichnet Balken hier auch als
Stäbe. Ein Stab ist ein Körper, dessen Länge groß
gegenüber seiner Breite und seiner Höhe ist (L > 4H und L > 4B).
Er kann durch seine Längsachse (Schwerachse) idealisiert dargestellt
werden .
In der Baupraxis begegnen
dem Ingenieur Stäbe in der Gestalt von Sparren, Holzbalken, Holzstützen,
Walzprofilträgern, Stahlvollwandträgern, Stahlrohren, Stahlbetonstützen,
Stahlbetonunterzügen uvm. Alle diese Stäbe sind grundsätzlich
in der Lage, Zug- und Druckkräfte, Querkräfte, Biegemomente und
Torsions- oder Drillmomente aufzunehmen. Es lassen sich nun aber, durch
die Art der Anordnung und Verbindung der Stäbe sowie die Art der Einleitung
der Lasten, Stabtragwerke entwickeln, bei denen die Biegesteifigkeit und
die Drillsteifigkeit der Stäbe nicht benötigt wird. Ihr Element
ist der Fachwerkstab, der nur Längskräfte (Zug oder Druck), aber
keine Querkräfte, Biegemomente und Torsionsmomente aufnehmen kann;
diese Tragwerke nennt man Fachwerke. Das Gegenstück zu den Fachwerken
sind die Stabwerke oder Vollwandtragwerke. Die kennzeichnende Beanspruchung
der Balken von Stabwerken ist das Biegemoment, außerdem können
Längskräfte, Querkräfte und Torsionsmomente auftreten.
Schließlich gibt es
Stabwerke, deren einzelne Stäbe z.T. nur durch Längskräfte,
z.T. aber durch eine beliebige Kombination von Längskräften,
Querkräften, Biegemomenten und Torsionsmomenten beansprucht werden;
diese Stabtragwerke werden gemischte Systeme genannt.
Aus statischer Sicht unterscheidet
man:
Ebene Stabtragwerke,
deren Lasten in derselben Ebene wirken, in der sämtliche Stäbe
des Tragwerks liegen. Bei ebenen Problemen treten in den Stäben keine
Torsions- oder Drillmomente auf. Es ist hier die ebene Statik anzuwenden.
Ebene Stabtragwerke mit
räumlicher Belastung, d.h. Stabwerke, deren Stäbe zwar alle
in einer Ebene liegen, bei denen jedoch mindestens die Wirkungslinie einer
Last nicht in der Ebene des Tragwerks liegt.
Räumliche Stabtragwerke,
deren Stäbe nicht in einer Ebene liegen. Bei den letzte beiden Tragwerken
ist die räumliche Statik anzuwenden.
Alle Stabtragwerke, sind
statisch bestimmte Systeme, insofern zu ihrer Berechnung als Hilfsmittel
die Gleichgewichtsbedingungen:
· Bei ebener Statik
den drei Gleichgewichtsbedingungen SV=0,
SH=0,
SM=0;
· Bei räumlicher
Statik die sechs Gleichgewichtsbedingungen SX=0,
SY=0,
SZ=0,
SMx=0,
SMy=0,
SMz=0
verwendet werden können.
Alle anderen Systeme sind als statisch unbestimmt anzusehen.
Verformungsfälle wie
Verschiebungen und Verdrehungen der Lager, Temperaturdehnungen sowie Schwinden
des Betons verursachen in statisch bestimmten Systemen keine zusätzlichen
Schnittgrößen. In statisch unbestimmten Systemen allerdings
im allgemeinen immer. Um diese Systeme berechnen zu können, müssen
Formänderungen und Steifigkeiten der Stäbe mit in die Betrachtungen
einbezogen werden.
Bei einer Reihe von Stabtragwerken
ist es zweckmäßig und anschaulich, zwischen äußerer
und innerer statischer Bestimmtheit oder Unbestimmtheit zu unterscheiden.
Ein ebenes Stabtragwerk ist äußerlich statisch bestimmt oder
es ist statisch bestimmt gelagert, wenn seine Stützgrößen
mit Hilfe der drei Gleichgewichtsbedingungen
SV
= 0, SH
= 0, SM
= 0 ermittelt werden können. Ein ebenes Stabtragwerk ist statisch
bestimmt gelagert oder es ist äußerlich statisch bestimmt, wenn
es entweder eine feste Einspannung oder ein unverschiebliches und ein verschiebliches
Kipplager besitzt. Diese Feststellung erfaßt allerdings nicht alle
statisch bestimmt gelagerten Systeme.
Theorie 1. Ordnung - Allgemeines
Nach Theorie I. Ordnung werden
Stütz- und Schnittgrößen durch Gleichgewichtsbetrachtungen
am unverformten System ermittelt. In Wirklichkeit treten jedoch bei allen
belasteten Systemen Formänderungen (Verschiebungen und Verdrehungen)
auf. Im allgemeinen sind diese aber so klein, daß eine Schnittgrößenumlagerung
infolge Geometrieänderung keine nennenswerten Mehrbeanspruchungen
zur Folge hätte. Solange diese Voraussetzung zutrifft und dies ist
bei den in der Baupraxis vorkommenden Systemen überwiegend der Fall
können wir mit der Theorie 1. Ordnung die Wirklichkeit befriedigend
genau erfassen.
Es gibt jedoch einige Tragsysteme
(z.B. schlanke und ausmittig belastete Stützen, schlanke Bögen
und Rahmen), bei denen die Berücksichtigung der Verformungen erforderlich
wird d.h. ein Gebot der Sicherheit ist, und andere (z. B. Hänge- und
Seilkonstruktionen) bei denen die Berücksichtigung der Verformungen
ein Gebot der Wirtschaftlichkeit werden kann. Dann ist die Theorie II.
Ordnung anzuwenden, die auch als Spannungstheorie II. Ordnung oder als
Verformungstheorie bezeichnet wird. Der allgemeine große Vorteil
der Anwendung der Theorie I. Ordnung besteht in der generellen Gültigkeit
des Superpositionsgesetzes. Wenn nämlich die geometrischen Größen
des Systems unabhängig von den aufgebrachten Lasten die Gleichen bleiben,
so sind die Beziehungen zwischen den statischen Größen linear.
Theorie II. Ordnung -
Allgemeines
Die Berechnung nach der Verformungstheorie
oder Spannungstheorie II. Ordnung oder kurz Theorie II. Ordnung ist die
Berücksichtigung der Verformungen des Systems bei der Ermittlung der
Stütz- und Schnittgrößen. Dies führt im allgemeinen
zu nichtlinearen Beziehungen zwischen den Schnitt- und Verformungsgrößen
und den äußeren Kräften des Tragwerks. Auch die Theorie
II. Ordnung beruht in der Regel noch auf der Annahme, daß die Verformungen
relativ klein im Verhältnis zu den Systemabmessungen sind.
Anders bei der Theorie III.
Ordnung, da werden die geometrischen Beziehungen nicht linearisiert, sondern
genau eingeführt. Auf diese Weise können Systeme berechnet werden,
deren Verformungen nicht mehr als klein gegenüber den Systemabmessungen
angesehen werden können.
Die Theorie II. Ordnung
wird einerseits bei der genaueren Berechnung von empfindlichen Tragsystemen
wie Hängebrücken und andererseits bei der Behandlung von Stabilitätsproblemen
angewandt, die bei weitgespannten Bögen und sehr schlanken, ausmittig
belasteten Stützen auftreten.
Zur Entscheidung der Frage,
ob die genauere Berechnung eines Tragsystems sinnvoll ist, dient der folgende
wichtige Hinweis: ,,Die Anwendung der Theorie II. Ordnung ist nur dann
erforderlich, wenn die Belastung im Tragwerk große Normalkräfte
hervorruft, die infolge der auftretenden Verformungen „elastische Hebelarme"
vorfinden und somit zusätzliche Schnittmomente ergeben. /6/
Fließgelenktheorie
Die Fließgelenktheorie
ist eine spezielle Form der allgemeinen Plastizitätstheorie (Fließzonentheorie)
und insbesondere anwendbar auf die im Stahlbau meist verwendeten DT-Querschnitte,
jedoch auch zulässig für andere Profilformen. Bei ihr werden
Stabbereiche, die über die Fließdehnung hinaus beansprucht werden,
auf den Ort höchster Beanspruchung (dem Fließgelenk) konzentrieren
und für die restlichen Stabbereiche elastisches Baustoffverhalten
unterstellt. Der hierdurch bedingte Fehler in der statischen Berechnung
beträgt für baupraktische Fälle nur wenige Prozent. Ausgenommen
von dieser Berechnungsweise sind ungeeignete Systeme, die im wesentlichen
extreme Abmessungsverhältnisse aufweisen.
Die elastische Grenztragfähigkeit
eines Querschnittes ist z.B. bei alleiniger Beanspruchung durch ein Biegemoment
My erreicht, wenn die maximale Randspannung die Streckgrenze fy,k anliegt.
Dabei weisen die Randfasern des Querschnittes Längsdehnungen von ca.
0,15 bis 0,2 % auf. Idealisiert man das tatsächliche Werkstoffgesetz
(1. Vereinfachung auf der sicheren Seite) auf ein idealelastisch-idealplastisches
Dehnungsgesetz, so erkennt man, daß größere Dehnungen
der Randfasern, jedoch ohne Zunahme der Spannungen, möglich sind.
Der Querschnitt beginnt zu plastizieren.
Die Fließgelenktheorie
wird an Systemen angewandt, bei denen die Normalkräfte einen vernachlässigbaren
Einfluß auf den Gleichgewichtszustand ausüben, d.h. die Theorie
I. Ordnung anwendbar ist. Bei diesen Systemen wird die (plastische) Grenztragfähigkeit
erreicht, wenn das statische System eine solche Anzahl von Fließgelenken
ausgebildet hat, daß eine kinematische Kette entsteht. Hierzu werden
die Gelenke wie Rutschkupplungen betrachtet. Der Stabzug hat offensichtlich
seine Tragfähigkeit erreicht, wenn eine Kraft in allen Kupplungen
die Gleitgrenze des Gelenkmomentes, erreicht hat. Die Momentenverteilung
ist dann bekannt, und die Tragkraft kann aus einfachen Gleichgewichtsbedingungen
berechnet werden.
Ein Fließgelenk kann
einen Relativdrehwinkel, nur in begrenzter Größe ausführen,
ohne daß das vollplastische Moment durch Beul- oder Kruppelerscheinungen
absinkt. Die Relativdrehwinkel in den Fließgelenken können erforderlichenfalls
mit der Arbeitsgleichung aus der plastischen Momentenverteilung bestimmt
werden. Bei Anwendung des Reduktionssatzes der Baustatik (virtueller Kraftplan
am statisch bestimmten System) muß in diesem Fall der Ort des sich
zuletzt einstellenden Fließgelenkes bekannt sein. Für diesen
Querschnitt wird elastisches Verhalten (Kontinuität) unterstellt;
in allen anderen Fließgelenken dürfen beim virtuellen statischen
System reibungsfreie Gelenke angenommen werden. Hierbei sollten bestimmte
Bedingungen eingehalten sein. Systeme mit größeren Relativdrehwinkeln
sind für die Berechnung nach der Fließgelenktheorie im Hinblick
auf praktische Belange auszuschließen bzw. ungeeignet.
/8/
Übersicht über
die Berechnungsverfahren
Um die Stütz- und Schnittgrößen
statisch bestimmter Systeme zu ermitteln, genügt es, die Gleichgewichtsbedingungen
anzuwenden. Formänderungen statisch bestimmter Systeme haben keinen
Einfluß auf innere und äußere Kraftgrößen.
Bei statisch unbestimmten
Systemen sind Gleichgewichtsbetrachtungen allein für die Ermittlung
der Stütz- und Schnittgrößen nicht ausreichend, es müssen
auch Formänderungen in die Berechnungen einbezogen werden. Dafür
stehen vier übliche Verfahren zur Verfügung:
1. Die Differentialgleichungsmethode
Sie hat geringe praktische
Bedeutung.
2. Das Kraftgrößenverfahren
Beim KGV können äußere
und innere Kräfte sowie Momente als Unbekannte eingeführt und
mit Hilfe von Formänderungsbedingungen, Verträglichkeitsbedingungen
oder Elastizitätsgleichungen bestimmt werden. Dabei können die
Einflüsse sämtlicher Schnittgrößen berücksichtigt
werden, es ist aber auch möglich und in vielen Fällen zulässig,
die Auswirkungen der Querkräfte oder der Quer- und Längskräfte
zu vernachlässigen.
3. Das Verschiebungsgrößenverfahren
Es wird auch als Weggrößenverfahren,
Deformationsmethode oder Formänderungsgrößenverfahren bezeichnet.
Der Name kommt daher, weil Verschiebungsgrößen, und zwar Knotenverschiebungen
und -verdrehungen, als Unbekannte eingeführt werden. Zur Berechnung
der Unbekannten werden Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt.
In seiner allgemeinen Form
berücksichtigt das Verschiebungsgrößenverfahren die Verformungen
infolge von Momenten, Längskräften und Querkräften. Wegen
der Möglichkeit, es in Matrizenform darzustellen, ist es besonders
gut für die Anwendung in programmgesteuerten Rechenanlagen geeignet.
Eine Vereinfachung, die bei ebenen Problemen angewendet wird und gut für
die Handrechnung geeignet ist, wird es Drehwinkelverfahren genannt. Bei
ihm werden Längs- und Ouerkraftverformungen vernachlässigt, berücksichtigt
wird also nur der Einfluß der Biegemomente. Ferner wird die gegenseitige
Verschiebung von Knoten durch Stabdrehwinkel ausgedrückt.
4. Die Methode der finiten
Elemente (FEM)
Die Ermittlung der Schnittgrößen
von Flächentragwerken wie Scheiben oder Schalen ist im allgemeinen
in einer geschlossenen Lösung nicht möglich. Nur einfache Geometrien
wie symmetrische Systeme und bestimmte Formen der Belastung sind einer
analytischen Behandlung zugänglich. Daher wendet man bei beliebig
geformten Flächentragwerken numerische Lösungsverfahren an. Ein
solches Verfahren ist die Methode der finiten Elemente. Bei dieser
Methode wird das Tragwerk gedanklich in mehr oder weniger kleine endliche
Teile aufgeteilt, die finiten Elemente. Das bedeutet eine physikalische
Idealisierung des Tragwerks. Bei Flächentragwerken sind diese
Elemente i.a. Dreiecke oder Vierecke, bei Stabwerken und Fachwerken die
Stäbe. An jedem Element müssen wie bei jedem brauchbaren Tragwerk
die folgenden Bedingungen erfüllt sein:
1. Jedes Element muß
sich im Gleichgewicht befinden (Gleichgewichtsbedingung).
2. Die Verschiebungen und
Dehnungen der Elemente müssen verträglich sein, d.h. es darf
kein Klaffen oder Durchdringen erfolgen (geometrische oder kinematische
Verträglichkeit).
3. Die elastischen Dehnungen
infolge der vorhandenen Spannungen erfolgen nach dem Material eigentümlichen
Gesetz (Spannungs-Dehnungs-Gesetz, Werkstoffgesetz).
Die Zahl der angenommenen
Elemente bestimmt die Genauigkeit des Ergebnisses. Je größer
die Zahl ist, je feiner das System eingeteilt wird, um so genauer ist das
Ergebnis, um so größer ist aber auch der Rechenaufwand. Um genügend
genaue Ergebnisse zu erzielen, ist vor allem in der Nähe von Einzelkräften
oder von Unstetigkeiten in der Geometrie des Systems eine besonders feine
Einteilung angebracht.
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