Torsionsspannungen
Die Torsionsbeanspruchung
nimmt in der Festigkeitslehre einen sehr wichtigen Platz ein, da ihre Wirkung
sehr umfangreich sein kann. Durch sie können, je nach Querschnittsform
und Belastung, Normalspannungen und Tangentialspannungen entstehen, die
in ihrer Größe durchaus denen der Biegung gleich kommen können.
In der Praxis versucht man Torsionsbeanspruchungen weitgehend zu vermeiden,
da ihre Berechnung sehr aufwendig sein kann. An dieser Stelle sei noch
erwähnt, daß bei einigen Stabilitätsfällen die Torsionsbeanspruchbarkeit
eine sehr wichtige Rolle spielt und der Ingenieur auch deshalb ein umfangreiches
Verständnis für Torsion besitzen sollte.
Die Berechnung der Torsionsbeanspruchung
kann je nach Querschnittsform, wie schon in dem Abschnitt: 4.2 Sonderproblem
Querschnittskennwerte bei Torsion erwähnt wurde, eine sehr aufwendige
Aufgabe sein, da bei einer Torsionsbeanspruchung neben der primären
Torsionsspannung oder St. Venantschen Torsionsspannung noch sekundäre
Torsionsspannung und Wölbtorsionsspannung anstehen kann. Entscheidend
hierbei ist jeweils, wie der Torsionsschubfluß durch den Querschnitt
fließen kann. Man unterteilt, wie schon in Abschnitt 4.2 gezeigt,
deshalb die Querschnitte in drei Hauptgruppen:
a) Vollquerschnitte,
b) Dünnwandige geschlossene Querschnitte (Hohlquerschnitte),
c) Dünnwandige offene Querschnitte.
Bei dieser Einteilung können
noch keine Schlüsse auf die drei Torsionsspannungsarten gezogen werden.
Deshalb ist eine weitere Unterteilung in wölbfreie Querschnitte und
in nichtwölbfreie Querschnitte nötig. Zu den wölbfreien
Querschnitten gehören nur wenige Querschnitte. Die wichtigsten sind
Kreis, Kreisring und quadratischer Hohlquerschnitt mit gleichbleibender
Wanddicke. Zu den nichtwölbfreien Querschnitten gehören die meisten
bautechnischen Querschnitte. Dieses sind insbesondere die offenen dünnwandigen
Stahlbauprofile sowie die allerdings nur gering verwölbenden Vollquerschnitte
und dickwandige Hohlquerschnitte des Stahlbetonbaues oder Holzbaues. Bei
letzteren sind die Wölbbeanspruchungen so gering, daß sie im
allgemeinen vernachlässigbar sind.
(Siehe [Applet
2])
Spannungsarten bei Torsionsbelastung
Die Torsionsmomente können
in den Stäben auf zwei verschiedene Arten aufgenommen und übertragen
werden:
1. durch St. - Venantsche Torsion, reine Torsion, Drillung mit zugelassener
Axialverschiebung oder zwangsfreie Drillung.
2. durch Wölbkrafttorsion, Drillung mit gehinderter Axialverschiebung
oder
Zwängungstorsion.
Bei St. - Venantscher Torsion
treten nur Schubspannungen t1
und Gleitungen y
= t1/G auf; Normalspannungen und Dehnungen e
= s/E werden
nicht hervorgerufen. Bei Wölbkrafttorsion werden die Stäbe
nicht nur durch Schubspannungen, sondern auch durch Normalspannungen beansprucht,
und die Stabelemente erleiden neben Gleitungen auch Dehnungen. Der Spannungszustand
bei Wölbkrafttorsion läßt sich aufspalten in einen Teilzustand
St.-Venantsche Torsion, die nur Schubspannungen t1
hervorruft, und einen zweiten Teilzustand, der Wölbnormalspannungen
sw und aus ihnen folgend sekundäre Schubspannungen oder Wölbschubspannungen
t2
= tw verursacht.
Der Aufteilung des Spannungszustandes entsprechend läßt sich
auch das Torsionsmoment Mt zerlegen in den Anteil Mt1 der durch St.-Venantsche
Torsion übertragen wird, und das Wölbtorsionsmoment Mt2, das
durch Wölbspannungen weitergeleitet wird. Das Verhältnis Mt1
/ Mt2 schwankt in weiten Grenzen. Es hängt ebenfalls von der Form
des Stabquerschnitts ab und ändert sich längs eines tordierten
Stabes. Unter welchen Umständen tritt nun St.-Venantsche Torsion auf
und welche Bedingungen führen zu Wölbkrafttorsion? Als Lösung
dieser Frage dient die folgende Übersicht.
1. St.-Venantsche Torsion
tritt auf:
a) bei wölbfreien
Querschnitten und näherungsweise bei nahezu wölbfreien
Querschnitten,
b) bei nicht wölbfreien
Querschnitten, wenn die mit der Verdrillung des
Stabes
zwangsläufig verbundene Verwölbung der Stabendquerschnitte durch
Anschlüsse
und Verbindungsmittel nicht behindert wird. Da dies aus
konstruktiven Gründen im allgemeinen nicht erreicht werden kann, kommt
reine
St.-Venantsche Torsion bei nicht wölbfreien Querschnitten selten vor.
Als
Teilzustand der Wölbkrafttorsion (primäre Torsionsspannung) hat
sie
trotzdem große Bedeutung.
2. Wölbkrafttorsion
liegt vor:
Wenn ein Stab mit nichtwölbfreiem
Querschnitt zwischen seinen Enden durch konzentriert oder verteilt angreifende
Drillmomente belastet wird oder wenn bei Momentenangriff nur an den Stabenden
die Axialverschiebung der Punkte der Endquerschnitte be- oder verhindert
wird.
Wie bereits erwähnt,
wird bei Wölbkrafttorsion das Drillmoment Mt zerlegt in den Anteil
Mt1, der durch St.-Venantsche Torsion aufgenommen wird, und den Anteil
Mt2, der im Stab Wölbnormal- und Wölbschubspannungen verursacht.
Den beiden auf verschiedene Weise aufgenommenen Momentenanteilen entsprechen
zwei verschiedene Widerstände (siehe Querschnittskennwerte), die der
Querschnitt der Verdrehung entgegensetzt. Es gibt den Widerstand bei unbehinderter
Axialverschiebung oder St.- Venantschen Torsionswiderstand It und den Wölbwiderstand
Iw, der aus der Verhinderung von Axialverschiebungen resultiert. Dieser
wird in einschlägiger Literatur mit Cm bezeichnet. Für die Baustatik
ist es wichtig zu wissen, in welchem Größenverhältnis diese
beiden Widerstände zueinander stehen. Sind sie etwa gleich groß,
müssen beide berücksichtigt werden; ist aber der eine bedeutend
kleiner als der andere, so kann der wesentlich kleinere vernachlässigt
werden, was die Berechnung vereinfacht.
Berechnung der Torsionsspannungen
zu a) Vollquerschnitte:
zzzzzzzzzz1.
Wölbfreie Querschnitte:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzKreisquerschnitt,
Spannungsrelation:
zzzzzzzzzz2.
Geringverwölbende Querschnitte:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzQuadratischer
Vollquerschnitt, Spannungsrelation:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzRecheckiger
Vollquerschnitt, Spannungsrelation:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzEliptischer
Vollquerschnitt, Spannungsrelation:
zu b) Dünnwandige geschlossene
Querschnitte:
zzzzzzzzzz1.
Wölbfreie Querschnitte:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzKreisring
mit t = const., Spannungsrelation:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzQuadratische
Hohlkästen mit t = const.., Spannungsrelation:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzTrapezförmige
Hohlkästen mit t = const., Spannungsrelation:
zzzzzzzzzz2.
Geringverwölbende Querschnitte: Allgemeine Hohlquerschnitte mit t
nicht const.,
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzSpannungsrelation:
zu c) Dünnwandige offene
Querschnitte:
zzzzzzzzzz1.
Wölbfreie Querschnitte:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzWinkelprofil
mit t=const., Spannungsrelation:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzT-Profil
mit t=const., Spannungsrelation:
zzzzzzzzzz2.
Nichtwölbfreie Querschnitte:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz.B.
DT-Profil,
Spannungsrelationen:
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzz
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